von Torsten Meise
Textauszug aus „Energie Systeme Zukunft – 10 Jahre Deutsche Energie-Agentur“ (2010)
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40 Prozent des Endenergieverbrauchs werden in Deutschland in Gebäuden verbraucht: zum Heizen, Kühlen und Kochen, für warmes Wasser und Strom. Bis zu 90 Prozent dieses Energieverbrauchs ließen sich einsparen, mindestens. Wie das einmal aussehen wird, hat die Europäische Union in der EU-Gebäuderichtlinie 2010 festgeschrieben. Danach müssen alle Neubauten ab 2020 als „Fast-Nullenergiehäuser“ ausgelegt sein. Das heißt, Neubauten dürfen dann für Heizung, Warmwasser, Lüftung und Kühlung kaum noch Energie benötigen. Die minimalen Strom- und Wärmemengen, die noch verbraucht werden, sollen aus regenerativer Energie stammen, die möglichst direkt am Standort des Gebäudes erzeugt wird. Eine realistische Vision?
Wie das in der Praxis gehen kann, beweisen schon heute schon immer mehr Bauherren. Einer von ihnen ist der Architekt Alfons Lengdobler, der sich im niederbayerischen Pfarrkirchen ein so genanntes Plusenergiehaus konstruiert hat. Das Haus hat eine perfekte Ausrichtung zur Sonne und eine gut gedämmte und luftdichte Gebäudehülle. Energie, die in der warmen Jahreszeit durch die Solarthermieanlage in der Fassade erzeugt wird, lässt sich über 2000 Meter Heizschlangen, die in der Bodenplatte des Hauses liegen, im darunter liegenden Erdreich speichern. Im Winter wird die gespeicherte Wärme über die Belüftung wieder in die Räumen abgegeben, wo dann konstant etwa 20 bis 22 Grad herrschen. Überdies produziert eine große Photovoltaikanlage mehr Strom, als die Bewohner verbrauchen. Dank der fehlenden Heizkosten und der Erlöse aus dem Energieüberschuss sind die rund 10 Prozent höheren Baukosten gegenüber normalen Effizienzhäusern schnell wieder eingespielt. 2008 erhielt Langdobler für sein Konzept den Bayerischen Energiepreis, 2010 wurde er bayerischer Regionalsieger beim Bundeswettbewerb Effizienzhaus.
Das Haus als Kraftwerk – diese Idee ist also längst keine Utopie mehr.Nicht überall lässt sich bei Neubauten ein Plusenergiehaus realisieren. Noch nicht. Doch die Veränderungen, die sich in den vergangenen Jahren im Baubereich Bahn gebrochen haben, sind mehr als beeindruckend. Eine ganze Reihe von Technologien hat dafür gesorgt, dass jedes Haus – auch wenn es kein Neubau ist – sparsam mit fossilen Brennstoffen umgehen und zumindest teilweise durch erneuerbare Energien beheizt werden kann.
- Brennwertkessel, eine deutsche Erfindung, finden ihren Weg in immer mehr Keller. Rund zwei Drittel der 2009 neu installierten Heizungsanlagen waren Öl- oder Gas-Brennwertkessel. Zwar verbraucht der Brennwertkessel – ebenso wie der nicht ganz so effiziente Niedertemperaturkessel – fossile Energien, aber er erledigt das extrem gründlich. Beim Brennwertkessel wird der im Abgas enthaltene Wasserdampf kondensiert. Die dabei freiwerdende latente Wärme wird ebenso genutzt wie die im Abgas enthaltene Restwärme. So erreicht man Nutzungsgrade von bis zu 98 Prozent. Brennwerttechnologie gibt es für Gas, Öl und Holzpellets.
- Pelletheizungen werden mit dem nachwachsenden Rohstoff Holz befeuert. Gepresste Holzpellets haben den Vorteil, dass nur so viel Kohlendioxid bei der Verbrennung freigesetzt wird, wie der Baum zuvor aus der Atmosphäre entnommen hat. Sie werden in speziellen Öfen verbrannt. Anders als bei Holzöfen und Kaminen bewegt sich der Ausstoß von Schadstoffen und Feinstaub auf niedrigem Niveau.
- Wärmepumpen entziehen dem Erdreich, dem Grundwasser oder der Umgebungsluft Wärme und geben diese in der Wohnung wieder ab. Wärmepumpen arbeiten gleichsam nach dem umgekehrten Prinzip eines Kühlschranks. Sie werden meist mit Strom, teils auch mit Gas betrieben. Mit dem Einsatz einer Kilowattstunde Strom lassen sich mit diesem Prinzip je nach Temperatur der Wärmequelle mehrere Kilowattstunden Wärme gewinnen. weshalb diese Technologie als besonders effizient gilt. Wärmepumpen lassen sich mit solarthermischen Anlagen koppeln, um den Energieverbrauch weiter zu senken.
- Solarthermie ist eine bereits lange verwendete Technik, bei der Wasser oder eine energiespeichernde Flüssigkeit durch die Kraft der Sonne erwärmt wird. Die Kollektoren werden meist auf dem Dach montiert, überschüssige Wärme wird in Warmwasserspeichern „zwischengelagert“. In modernen Anlagen sorgt Solarthermie nicht nur für Warmwasser, sondern unterstützt auch die Heizung.
- Mini-Blockheizkraftwerke sind kleine Wärmekraftwerke, die nicht nur als Heizung dienen, sondern auch Strom produzieren. Sie können dezentral gebaut werden: in Wohnblocks, aber auch in Einzelhäusern. Geben die meisten Großkraftwerke heute 50 bis 60 Prozent der eingesetzten Energie sinnlos als ungenutzte Wärme ab, wird dieser Anteil bei der Kraft-Wärme-Kopplung im Keller auf 10 oder 20 Prozent reduziert.
Gemeinsam mit einer fachgerechten Dämmung bieten diese Technologien die Möglichkeit, jedes Haus energetisch auf den neuesten Stand zu bringen. Wie dieser Stand zu definieren ist, hat die Deutsche Energie-Agentur in den vergangenen Jahren gezeigt. Vor allem das Großprojekt „Energieausweis“, das von der dena in einem Feldversuch und einer anschließenden Markteinführungskampagne begleitet worden ist, hat den Definitionsbedarf deutlich gemacht. „Wir haben uns in den zehn Jahren unseres Bestehens ganz deutlich entwickelt, von der anfänglichen Politikberatung hin zu einem Referenzinstitut“, sagt Christian Stolte, bei der dena für den Bereich Energieeffiziente Gebäude zuständig.
Sichtbarer Ausdruck dieser Entwicklung ist das Energielabel „Effizienzhaus“, das die dena seit 2009 vergibt. Das Qualitätssiegel an der Fassade soll auf den ersten Blick zeigen, ob ein Haus besonders energieeffizient ist. Der Begriff „Effizienzhaus“ ist so überzeugend und anschaulich, dass er in die Förderbedingungen der KfW eingegangen ist. Wer sich heute als privater Bauherr oder Modernisierer um günstige Kredite bemüht, wird mit den unterschiedlichen Stufen der Effizienzhäuser unweigerlich in Kontakt kommen.
Dabei gehört das „Effizienzhaus“ noch zum eingängigen Vokabular, das Bauherren heute lernen müssen. Eine – teilweise durchaus verwirrende – Vielzahl von Regelungen hat mit sich gebracht, dass Wort-Monstren wie die Energieeinsparverordnung (EnEV), das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) oder das Energieeinsparungsgesetz (EnEG) eine enorme Regeldichte geschaffen haben. Dass die einzelnen Gesetze zum Teil auch noch im Zwei- oder Drei-Jahresrhythmus verändert und verschärft werden, trägt nicht immer zur Orientierung bei. Umso wichtiger wird die dena als Kommunikations-Schaltzentrale für Bauherren, Planer und Handwerker. Denn es besteht eine gewaltige Lücke zwischen den mittlerweile verfügbaren Möglichkeiten und dem, was tatsächlich am Bau passiert. „Höchstens 5 bis 10 Prozent der Planer und Handwerker sind in Sachen Energie so qualifiziert, wie sie es eigentlich sein müssten“, konstatiert Christian Stolte.
Am signifikantesten wird dieses Defizit ausgerechnet in dem Bereich, der für die Effizienzbemühungen im Gebäudesektor am wichtigsten ist: bei der Modernisierung der Bestandshäuser. „Das Innovationstempo bei Neubau und Sanierung ist derzeit zu gering und muss erhöht werden“, stellt die Bundesregierung in ihrem nationalen Energieeffizienz-Programm fest. Ein Großteil dieser Kritik trifft den Modernisierungsstau bei den bereits bestehenden Gebäuden.
Bestehende Gebäude benötigen derzeit durchschnittlich dreimal so viel Energie zur Wärmeversorgung wie Neubauten. Häuser werden alle 25 oder 30 Jahre energetisch modernisiert, denn dann sind die Heizungsanlagen am Ende ihrer Lebenszeit angekommen – in der Realität werden die Investitionen oft viel länger hinausgeschoben, zum Beispiel weil die veraltete, ineffiziente Heizung „ ja noch läuft“. Auch das Wissen um die technischen Möglichkeiten der Dämmung hat sich jeweils in einem Zeitraum von 20 oder 30 Jahren vervielfacht. Würde bei den anstehenden Modernisierungen des Häuserbestands ein großer Teil der hier verborgenen Effizienzreserven genutzt, könnte Deutschland wesentlich entspannter seinen selbstgesetzten Klimazielen entgegengehen.
Um die Möglichkeiten, die sich hier bieten, für Bauherren und Experten sichtbar zu machen, hat die dena unter dem Titel „Niedrigenergiehaus im Bestand“ ein umfassendes Projekt gestartet. Es soll den Know-how-Transfer beschleunigen, energetisch anspruchsvolle Sanierungsstandards auf dem Markt etablieren, innovative Technologien der energetischen Gebäudesanierung bekannt machen, weiterentwickeln und auf dem Markt einführen und durch übertragbare, wirtschaftlich tragfähige Sanierungsempfehlungen zur Nachahmung anregen. Dabei wurde in vielen Bereichen Neuland betreten. Bislang über 400 Best-Practice-Beispiele, die mit Hilfe der dena optimal saniert worden sind, zeigen, dass bei jedem Gebäudetyp Ersparnisse von durchschnittlich 85 Prozent erreichbar sind. „Beim Fachwerkhaus von 1750 ebenso wie beim 50er Jahre Mehrfamilienhaus“, erläutert Stolte, „das wusste man 2003 noch nicht, dass das möglich ist.“
Dieses Know-how, so der Plan, soll dazu beitragen, dass auch bei bestehenden Gebäuden stärker als bisher energetisch modernisiert wird. 2050 soll der Gebäudebestand weitgehend klimaneutral sein; der Primärenergiebedarf der bestehenden gebäude soll bis dahin um 80 Prozent reduziert werden. Deutschland kann diese Zielmarken erreichen, dafür sind jedoch eine ausreichende Förderung und eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Anforderungen notwendig, weshalb es bereits 2012 zu neuen, strengeren gesetzlichen Vorgaben kommen kann. (…)
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Dieser Text ist Teil eines längeren Kapitels über Energieeffizienz auf der Seite der Verbraucher.
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